Wie können uns alte Kulturen bei moderner Gesundheit helfen?

Wie können uns alte Kulturen bei moderner Gesundheit helfen?

geschrieben von Robin Dören

Vielleicht hast du dich schonmal gefragt, warum wir uns bei unseren Aktionen wie das aktuelle Mabon, oft auf alte, fast vergessene Feste und Rituale beziehen? Sind wir abergläubisch oder esoterisch? Das können wir klar mit Nein beantworten.

Dennoch bieten uns alte Brauchtümer aus einer Zeit, in der teilweise nicht mal die Fundamente der modernen Gesellschaft existierten, viel Aufschluss über das, was für den Menschen lange Zeit natürlich war. Die Umstände der menschlichen Evolution finden sich überall in unseren Genen wieder und diktieren unsere Gesundheit.

Die keltischen Jahreskreisfeste sind nur ein Beispiel dafür, wie sehr der Mensch für den Großteil seiner Geschichte dem Zyklus der Natur unterworfen war. Ob in unseren circadianen Genen, der Fähigkeit zur Vitamin D Aufnahme oder dem individuellen Fettstoffwechsel:

Unsere Verbindung zum harten Jahreszeitenwechsel unserer Breitengrade lässt sich in unserer Genetik ablesen. Aber egal über welche Kultur wir reden, überall finden sich die prägnanten Zeitpunkte des Jahres in Traditionen, Bräuchen und Festen wieder. Diese waren zwar ganz klar auch abergläubischen Ursprungs, aber zuallererst sind sie aus dem Zwang, sich an die Natur anzupassen, entstanden und hatten viel mit der damaligen Landwirtschaft zu tun.

Alte Kulturen sind also eine erstklassige Inspirationsquelle. Der Alltag der damaligen Menschen bietet Aufschluss über verlorenes altes Wissen. Natürlich war hier auch eine Menge Unwissen und falsche Angst vertreten und die Medizin war aus moderner Sicht eine Katastrophe. Dennoch wussten diese Menschen, vom Land und mit der Natur zu leben. 

Die interessante Schnittstelle zwischen moderner Wissenschaft und alten Kulturen hält so für das moderne Leben enormen Wert bereit. Ob die Bekämpfung von Antibiotika Resistenzen, durch lang vergessene Pilze oder die großen gesundheitlichen Vorteile von Kältetherapien und Saunagängen, die in Finnland eine uralte Tradition haben.

Die Menschen damals mussten gezwungenermaßen all ihre Inspiration aus der Natur ziehen. So ein Leben kann man sich heute kaum noch vorstellen. Denk mal an den Inhalt deiner Träume bspw. Wieviel davon dreht sich um das moderne Leben, den alltäglichen Job, die moderne Lebensweise in einer Stadt oder anderen Dingen, die damals einfach nicht existent waren? Natürlich verschiebt sich der Prozess der Ideenfindung so. Das hat zur Folge, dass viele Dinge, die damals noch bekannt waren, heute wie vergessen scheinen.

Angefangen bei der modernen Landwirtschaft bis zum eigenen Körperbewusstsein und Kenntnis der Umgebung und der Biogeographie. Ein Bewusstsein dafür, dass sich langfristige Investitionen in die Natur lohnen. Und, dass ein gesunder Körper bei einer gesunden Landwirtschaft anfängt:

Was die moderne Landwirtschaft von alten Kulturen lernen muss

Dass man Insekten auf den Feldern leben lassen sollte und nicht jedes Unkraut in die Verdammnis spritzt, gehört ebenfalls zu diesem Bewusstsein. Dass man eine Wechselwirtschaft mit den Boden regenerierenden Pflanzen betreibt und nicht 30 Jahre lang nichts anderes, als gentechnisch veränderten Mais anbaut.

Dass man eine Massendüngung und Bodenverarmung vermeidet. Massentierhaltung heutzutage produziert aber soviel Mist, dass die Bauern es notgedrungen in riesigen Mengen auf den Feldern verteilen.

 

Gülle wird auf einem Feld in Sachsen-Anhalt verteilt.

 

Dass der Boden dabei völlig übernitriert wird, scheint irgendwie nicht zu interessieren. Solange der kurzfristige Profit da ist, wird nachhaltige Landwirtschaft, von der man vielleicht erst in 5-10 Jahren profitiert, vernachlässigt.

So zeigte der Spiegel im Jahr 2021, dass alleine durch Überdüngung jedes Jahr Umweltschäden von 3 Milliarden € entstehen.

Durch Überdüngung in der deutschen Landwirtschaft entstehen jedes Jahr Umweltschäden von geschätzt drei Milliarden Euro. Das hat der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in einem Gutachten errechnet. »Das Gutachten zeigt deutlich, dass die Überdüngung in der Landwirtschaft der Umwelt massiv schadet«, sagt BDEW-Co-Chef Martin Weyand. Die Düngeverordnung aus dem vergangenen Jahr setze die europäischen Vorgaben noch immer nicht vollständig um.


Das ist vor allem ein Fehler der Politik, denn der Bauer macht angesichts der horrenden Preise für Erzeuger auch nur das, was ihm am effizientesten Einkommen bringt. Auch hat nicht jeder Landwirt die Vertriebsfähigkeiten, seine Produkte als Premium Bio Lebensmittel im eigenen Hofladen zu verkaufen.


Eine absolut klasse Darstellung dieses Dilemmas zeigt die Dokumentation “Die Wiese".

Auch beim alljährlichen Biogründer Wettbewerb gibt es zunehmend neue biotechnologische Herangehensweisen an moderne landwirtschaftliche Probleme. Viele davon zielen darauf ab entweder Dünger effizienter einzusetzen oder durch detailierte Analyse den Ertrag der Felder zu erhöhen. Leider setzen dabei die wenigsten darauf, schon lang bekanntes Wissen zu skalieren.

Wie groß die Diskrepanz zwischen Landwirtschaft und Natur heutzutage ist, zeigte auch die Beeson Group, die Bienenvölker an Landwirte vermietet. Die Bienen werden an die Felder gefahren um die angebauten Pflanzen zu bestäuben und so den Ertrag zu erhöhen. Also ein Prozess der eigentlich ganz von allein passiert, muss hier wieder gezielt vom Menschen angestoßen werden.

Auch der übermäßige Einsatz von Pestiziden ist nicht nötig.

Schon unsere Großeltern wussten genau welche Pflanzen nebeneinander angepflanzt werden müssen um Schädlinge zu verhindern. Zwiebeln vertreiben z.B. die Möhrenfliege und Möhren wiederum die Zwiebelfliege. 

Das Prinzip der Vielfalt ist immer positiv. Wie in der Ernährung so auch in der Landwirtschaft:

 

Denn auf jedes Schadinsekt kommen 400-1700 »vorteilhafte« Insekten, von denen eine Vielzahl eben jene »Räuber« sind, die sich über die Eier, Larven oder Schädlinge direkt hermachen, sie parasitieren oder sonst wie »aus dem Gefecht« bringen.

Doch heutzutage besteht so eine Paranoia vor Schädlingen, dass einfach gleich alle Insekten getötet werden. Dass es auch anders geht, zeigt uns mal wieder die Geschichte.


Wie haben die Azteken es damals geschafft ihre großen Städte zu ernähren?

Die aztekische Hauptstadt Tenochtitlan besaß zwischen 200.000 und 400.000 Einwohner. Wie konnten die Azteken damals schon eine so große Bevölkerung ernähren?

Die beliebte Maispflanze kennt jeder. In Deutschland sieht man sie auf jedem dritten Feld, wo sie oft als Tierfutter und zunehmend auch als Treibstoff für Biogasanlagen angebaut wird. Sieht man sich die gleichen Felder nach der Ernte an, bietet sich aber ein trauriger Anblick. 



Datei:Maisfeld abgeerntet Stängel.jpg – Wikipedia


So schreibt der Bund für Umwelt und Naturschutz am Beispiel von Brandenburg:

Der verstärkte Maisanbau in Brandenburg hat erheblich negative Einflüsse auf Natur und Umwelt. Er gefährdet die Artenvielfalt, den Boden und das Wasser massiv. In Brandenburg ist jedoch allein in den letzten beiden Jahren die Maisanbaufläche um weitere 10 % auf gut 235.000 ha gestiegen. Insgesamt wird auf 23 % der Ackerflächen Mais angebaut - fast jeder vierte Hektar Ackerland wird somit für den Maisanbau genutzt. 

Die Azteken haben dieses Problem gelöst, indem sie zu ihrem Mais auch Kürbisse und Bohnen als Bodendecker angepflanzt haben.
Die Maisstängel dienten als Rankhilfe und schützten mit ihrem Blätterdach die Kürbispflanze am Boden. Diese wiederum bedeckte den Boden und festigte die Humusschicht, so dass weniger Erosion durch Wind und Wetter entsteht. Die wichtige Humusschicht kann so also nicht mehr so leicht weggespült oder durch den Wind abgetragen werden. Außerdem verhinderte diese Bodenbedeckung, dass die Feuchtigkeit so schnell verdunstete, wie es sonst der Fall gewesen wäre.

 

Azteken Landwirtschaft

Zusammenspiel aus Mais, Kürbis, Bohne und Chili. Selbst die Blüten der Kürbispflanzen wurden zur Ernährung genutzt.


Da die Kürbispflanzen dem Unkraut Konkurrenz machten, war die Landwirtschaft weniger arbeitsintensiv, da weniger Unkraut gejätet werden musste. Moderne Agrarforscher haben herausgefunden, warum die Bohnenpflanzen den anderen Pflanzen halfen: Bakterienkolonien an den Wurzeln der Bohnenpflanzen speichern Stickstoff aus der Luft und geben einen Teil davon an den Boden ab. Mais braucht große Mengen an Stickstoff, um zu gedeihen. Das Feld düngt sich von selbst.





Das war eine landwirtschaftliche Revolution und wird heute als Zwischenfruchtanbau bezeichnet. Der Zwischenfruchtanbau ist auch unter dem Namen Multikultur oder Begleitpflanzung bekannt und wird heute als ein "biologisch ausgeklügeltes Prinzip" und als einer der wichtigsten Fortschritte der aztekischen Anbausysteme anerkannt.

Das Konzept des Mischanbaus war so sehr Teil der Kultur, dass die Menschen vieler Stämme Mais, Bohnen und Kürbis als die "drei Schwestern" bezeichneten. Diese drei Pflanzen waren nicht nur während ihres Wachstums voneinander abhängig, sondern ergänzten sich auch in ihrer Ernährung. Die Aminosäuren in Mais und Bohnen bilden zusammen ein vollständiges Protein, was keines der beiden Nahrungsmittel für sich allein kann. Die Nährstoffe im Kürbis, wie z. B. Beta-Carotin und Vitamin C, ergänzen die Nährstoffe der beiden anderen Gemüsesorten des Trios.

Kürbis hilft außerdem bei der Unkrautbekämpfung, indem er einen dichten Schatten bildet, der nur sehr wenig Licht durchlässt, und von seinen Blättern ausgewaschene Chemikalien gelangen in den Boden und wirken als Herbizide. Der Zwischenfruchtanbau von Bohnen und Mais verringert außerdem die Schäden durch den Maiswurm und erhöht den Ernteertrag um fünfzig Prozent.

In der Regel enthielten selbst kleine Felder ein Dutzend oder mehr Pflanzenarten, darunter Kokosnüsse und Palmen, Zitrusfrüchte und Papayas, Kakao, Mais, Bohnen und Kürbisse.

Dass auch große Gewächse wie Bäume einen enorm positiven Effekt auf die Landwirtschaft haben können, zeigen sogenannte Agroforstsyteme.

 

Was sind Agroforstsysteme?

Wie der Wald bei einer effizienten und nachhaltigen Landwirtschaft helfen kann zeigt die Agroforstwirtschaft, d. h. die Integration von Bäumen in landwirtschaftliche Flächen. Das kann die folgenden positiven Auswirkungen haben: Bäume wirken ausgleichend auf das Mikroklima, pumpen Wasser und Nährstoffe aus tieferen Bodenschichten auf, wodurch sie trockenheitsresistenter werden, und versorgen den Boden durch den herbstlichen Laubfall mit Nährstoffen.

 

Außerdem tragen Bäume zur Verringerung der Windgeschwindigkeit bei, was die Bodenerosion verringert. Auch Wassererosion ist fast nie ein Problem, da sie den Boden wesentlich besser zusammenhalten und ihn vor Regen schützen. Bäume bieten Schutz und Nahrung.

Agroforstwirtschaft

Nutzung von Streuobstwiesen und Savannen (linker Bereich) als Agroforstsystem (Grafik: Selina Schwarzer) | Quelle: Universität Rostock


Wie sähen der Boden und die Umwelt aus, wenn z.b. mehr Baumfrüchte wie Kastanien, Walnüsse und Haselnüsse anstelle von Getreide als Kohlenhydratquelle verzehrt würden? Seit dem Aufkommen der modernen Landwirtschaft ist die menschliche Ernährung unglaublich einseitig geworden, was sich negativ auf unsere Gesundheit auswirkt. Nur 20 bis 30 Prozent der von Jägern und Sammlern verzehrten Nahrung bestand aus Kohlenhydraten, im Vergleich zu 70 Prozent bei modernen Menschen, die hauptsächlich vier Arten verzehren: Weizen, Reis, Mais und Kartoffeln. So verarmt nicht nur die wichtige Bakterienvielfalt im Darm sondern auch die Biodiversität auf den Feldern.

Wie wir im Artikel über den Anbau unseres Chagas schon geschrieben haben, muss also ein wirtschaftliches Argument her, um mehr Diversität in die moderne Landwirtschaft einzuführen. Kurzum: Die Politik muss dringend Subventionen für alternative Landwirtschaft schaffen.

So sieht ein Agroforstsystem aus.


Das größte Hindernis ist hier mal wieder die deutsche Bürokratie, so schreibt das Agrar Fachmagazin "Agrar Heute":

 

Gehölz- und Ackerkulturen auf einem Schlag sind bisher nicht mit dem deutschen Agrarförderrecht vereinbar. Eine Voraussetzung dafür ist die Kontrollfähigkeit mit dem Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems (InVeKoS). Da Agroforsten immer aus einer Gehölz- und einer Ackerkultur- oder Grünlandkomponente bestehen, ist beides förderrechtlich auf einem Schlag zu integrieren. Das benötigt dann einen eigenen Nutzungscode.


Allerdings sollen Agroforstsysteme nun endlich anerkannt und förderfähig gemacht werden, so lautet ein aktueller Beschluss des Ernährungsausschusses des Bundestages.

Was für die Äcker gilt, bewahrheitet sich im Übrigen auch im Wald selbst: Je mehr Totholz und Vielfalt im Wald gelassen wird, desto gesünder ist er. Das spiegelt sich dann auch im Ertrag wieder. Nicht nur sind so bewirtschaftete Wälder besser vor den Auswirkungen des Klimawandels geschützt, sie helfen auch wiederum diese Auswirkungen durch bessere CO2 Speicherung einzudämmen.

Die Natur weiß es eben immer noch besser. Sie hat ein perfektes System entwickelt. Je tiefer hier geforscht wird, desto mehr nähert sich das perfekte landwirtschaftliche System der natürlichen Umgebung im Wald an: Mit dem Zusammenspiel zwischen Bakterien, Pilzen, Insekten, Pflanzen und Tieren erfüllt die Natur sehr viele verschiedene Funktionen für das Überleben unserer Spezies, wie die Erhaltung gesunder Böden, die Reinigung von Luft und Wasser und dessen Speicherung.

Die Natur lässt Lebensmittel und Heilpflanzen sprießen. Die Techniken der industriellen Landwirtschaft hingegen zerstören viele dieser Funktionen; daran sind weniger "die Landwirte" schuld als vielmehr wir als Gesellschaft, die dieses System mitentwickelt haben und es durch den Kauf billiger Lebensmittel weiterhin unterstützen.




Quellen:

  • Encyclopedia of American Indian Contributions to the World by Emory Dean Keoke and Kay Marie Porterfield (Facts on File, 2002)
  • Aztec Medicine, Health and Nutrition by Bernard Ortiz de Montellano, Rutgers University Press (1990)
  • ‘Un perfil de la cultura india’ by Guillermo Bonfil Batalla, Arqueología Mexicana special edition no. 84 ‘Cultivos mesoamericanos’, pp. 10-15, Mexico City (n.d.).
  • http://www.musella-stiftung.li/images/bilder/vortrag_schwarzer/schwarzer_landwirtschaft.pdf
  • https://www.agrarheute.com/pflanze/getreide/gehoelze-acker-agroforsten-schlagen-klimawandel-schnippchen-561758